Psychotherapie Oststeiermark

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Was mich gegenwärtig persönlich beschäftigt

Welche Personen profitieren am meisten von Psychotherapie?

Als Professionist ist es mir ein Anliegen, jene Personengruppen besser zu verstehen, die sich hilfesuchend an mich wenden. Der vorliegende Blog-Eintrag beschäftigt sich ausschließlich mit den Merkmalen und Persönlichkeitseigenschaften von Hilfesuchenden und welche Rolle letztere im Prozess spielen können. Dies vor dem Hintergrund, dass bestimmte Eigenschaften einen signifikanten Einfluss auf den Therapieverlauf oder auf die Aussicht auf Verbesserung Ihrer Symptomatik haben können. Wenn Sie den anschließenden Text lesen, finden Sie sich vielleicht in der einen oder anderen Beschreibung wieder, was wir dann in unseren gemeinsamen Sitzungen thematisieren und besprechen können. Die Angaben des vorliegenden Blogs wurden hauptsächlich der Überblicksarbeit von Clarkin und Levy (2003) entnommen.

Wer sind die hilfesuchenden Personen?

Studien zufolge suchen tendenziell eher jene Menschen professionelle Hilfe auf, die sich in einer emotionalen Notsituation befinden, die psychische Symptome haben und die sich selbst für psychisch nicht gesund halten. Frauen sind zur Inanspruchnahme professioneller Unterstützung eher bereit als Männer, jüngere eher als ältere Menschen. Ältere Personen verlassen sich - im Gegensatz zu jüngeren - häufiger auf Psychopharmaka und VertreterInnen der Seelsorge. Suchen ältere Personen erst einmal Hilfe auf, so geben sie häufig reduziertes Wohlbefinden, körperliche Symptome, belastende Lebensereignisse sowie einen ausgeprägteren Mangel an sozialer Unterstützung an.

Wer die Behandlung tendenziell frühzeitig abbricht

Es gibt Hinweise, dass Personen mit Persönlichkeitsstörungen die psychotherapeutische Behandlung frühzeitig abbrechen. Die Chance, dass Sie sich für einen frühzeitigen Abbruch entscheiden, ist besonders dann erhöht, wenn Sie an einer Borderline Störung leiden (d. h. wenn Sie als “emotional-instabil” diagnostiziert wurden), jung sind und mir gegenüber am Anfang der Behandlung feindselige Gefühle verspüren. Die Chance auf verfrühten Abbruch ist auch dann gegeben, wenn Sie in Ihrer Persönlichkeit eher narzisstisch organisiert sind oder aber, wenn Sie gleich zu Beginn unserer Sitzungen einen negativen Eindruck von mir und meiner Person gewonnen haben. Die Wahrscheinlichkeit eines verfrühten Abbruchs ist auch dann gegeben, wenn Sie an einer Panikstörung leiden, aus einem Haushalt mit niedrigem Einkommen stammen und einer psychotherapeutischen Behandlung eher abgeneigt sind. Ähnlich, wenn Sie an einer Zwangsstörung leiden und bereits sehr früh in unserer gemeinsamen Arbeit deutlich wird , dass wir nicht dieselbe Erwartung an den Therapieausgang haben. Ganz anders verhält es sich hingegen, wenn Ihr Kernanliegen die Aussöhnung mit anderen Menschen anbelangt: Ein solches lässt nämlich darauf schließen, dass Sie die Behandlung aller Wahrscheinlichkeit nach auch zu Ende führen werden. In einer Studie Mitte der 2000er konnte zusammenfassend gezeigt werden, dass die Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Verbundenheit, psychische Ressourcen sowie der Schweregrad der Symptome ausschlaggebend für die erfolgreiche Beendigung von Behandlungen sind.

Wie der Schweregrad der Symptome den Therapieerfolg beeinflusst

Ende der 2000er konnte in großangelegten Studien nachgewiesen werden, dass der Behandlungserfolg mitunter vom Schweregrad einer Depression oder Suchterkrankung abhängt: Und zwar nahm der Therapieerfolg im gleichen Maß zu, wie der Schweregrad der Störung zu Therapiebeginn gering war. Der Schweregrad einer Störung allein ist aber noch nicht aussagekräftig, ebenso wichtig ist das Funktionsniveau einer Person im Alltag (d. h., wie gut Sie diverse Anforderungen Ihres häuslichen und beruflichen Alltags bewältigen können). Ganz allgemein gilt, dass Ihr Funktionsniveau zum Zeitpunkt der Behandlungsaufnahme auch einen signifikanten Einfluss auf Ihren Behandlungserfolg nimmt; was im Umkehrschluss aber auch bedeutet, dass die Erfolgschancen Ihrer psychotherapeutischen Behandlung umso besser sind, je funktionsfähiger Sie vor dem Zeitpunkt Ihrer Erkrankung waren! In diesem Sinne konnte eine Studie Anfang der 2000er bei schwer depressiven Personen u. a. den Schweregrad der Symptome, die persönliche Hoffnung auf Besserung sowie die Länge der depressiven Erkrankung als für den Therapieerfolg ausschlaggebend nachweisen. Die Literatur gibt auch Hinweise auf die Erfolgsaussichten bei Essstörungen. Hier scheint die Frage entscheidend, ob neben der bestehenden Essstörung auch noch eine Persönlichkeitsstörung aus dem Cluster B vorhanden ist. Insbesondere ist die Aussicht auf Verbesserung deutlich geringer, wenn Sie - neben einer Essstörung - eine diagnostizierte antisoziale, Borderline-, histrionische oder narzisstische Persönlichkeitsstörung haben. Cluster B Persönlichkeitsstörungen können im weiteren Sinn mit einem „dramatischen, emotionalen und launenhaften Verhalten” umschrieben werden.

Der Einfluss soziodemografischer Variablen auf den Therapieerfolg

Alter scheint keinen signifikanten Einfluss auf den Therapieerfolg zu haben - Suchterkrankungen ausgenommen: Dabei gilt, dass die Aussicht auf Therapieerfolg umso geringer ist, je jünger Sie sind. Der sozioökonomische Status beschreibt u. a. Ihren Bildungsstatus, Ihren Beruf und Ihr Einkommen sowie Ihre Eigentumsverhältnisse. Es konnte in Studien nachgewiesen werden, dass die Aussicht auf Therapieerfolg mit dem sozioökonomischen Status abnimmt. Zwar hat das Geschlecht keinen Einfluss auf Ihre Erfolgsaussichten, jedoch unterscheiden sich Frauen und Männer hinsichtlich ihrer Diagnosen; Frauen beispielsweise erkranken doppelt so häufig an Depressionen wie Männer. Ethnische Herkunft (wenn Sie aus einem anderen Land kommen) spielt für den Behandlungserfolg allgemein keine Rolle; die Herkunft spielt aber sehr wohl eine Rolle, wie Sie ein Problem präsentieren oder ob Sie überhaupt den Mut aufbringen, in meiner psychotherapeutischen Praxis bestimmte Sachverhalte auszusprechen.

Wie manche Ihrer Persönlichkeitseigenschaften den Therapieerfolg beeinflussen

Forscher schlugen zu Beginn der 1990er Jahre fünf Stadien in der persönlichen Veränderungsbereitschaft eines Menschen vor: (1) Den Zustand der (vermeintlichen) Sorglosigkeit (beispielsweise, wenn Sie eigentlich schon lang depressiv und sich dessen gar nicht bewusst waren); (2) ein beginnendes Problembewusstsein (“Eigentlich fühle ich mich schon lang nicht mehr gut!”); (3) die zunehmende Absicht, in absehbarer Zeit etwas zu unternehmen (“Ich werde etwas dagegen unternehmen!”); (4) den konkreten Versuch (beispielsweise der Gang zum Facharzt oder zum Therapeuten) und (5) die Aufrechterhaltung des Erfolgs. Studien konnten nachweisen, dass Sie dann bessere Behandlungserfolge haben werden, wenn Sie sich zumindest im dritten Stadium befinden, d. h. wenn Sie schon bereit sind, konkrete Schritte zu setzen. Einen nachweislichen Einfluss auf Ihren Therapieerfolg hat auch das, was man “Ego-Stärke” nennt: Positive Persönlichkeitseigenschaften, die Sie dazu befähigen, die eigenen Ängste auszuhalten oder hinter sich zu lassen. Eine weitere Eigenschaft, die die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich zog, lässt sich mit der “psychologischen Gesinnung” umschreiben: Ihrer Fähigkeit zur Selbstreflexion und -beobachtung bzw. zur Reflexion des Innenlebens anderer Menschen. Auch hier gilt: Je besser diese Fähigkeit in Ihnen ausgebildet ist, desto höher ist die Aussicht auf Therapieerfolg.

Wie Ihr Bindungsverhalten den Therapieerfolg beeinflusst

Das Bindungssystem ist jenes System, welches uns - wie der Name schon sagt - dazu befähigt, Bindungen mit anderen Personen (oder auch Lebewesen) einzugehen. Ich werde in einem anderen Blog die Ergebnisse der Bindungstheorie beschreiben, an dieser Stelle sei so viel gesagt: Im Erwachsenenalter unterscheidet man (1) sicher gebundene (autonome), (2a) unsicher-abweisende und (2b) unsicher-ängstliche sowie (3) besitzergreifende Bindungstypen. Der Bindungstyp, dem Sie angehören, könnte für Ihre Aussichten auf Therapieerfolg ausschlaggebend sein: Man fand nämlich in Effektivitäts-Studien heraus, dass unter Borderline-PatientInnen Personen mit einer unsicher-abweisenden Bindung die besten Erfolge erzielten. In einer anderen Studie, an der Personen ohne Persönlichkeitsstörungen teilnahmen, wiesen autonom gebundene Personen die besten Ergebnisse auf. Unsicher gebundene Personen (2a und 2b) scheinen außerdem größere Schwierigkeiten in der Bildung eines therapeutischen Bündnisses zu haben.

 

Literatur

Clarkin, J. F., & Levy, K. (2003). The influence of client variables on psychotherapy. In A. E. Bergin (Hrsg.), Handbook of psychotherapy and behavior change (S. 194-226). New York: Wiley.

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Nikolas Anastasiadis