Psychotherapie Oststeiermark

Im Fokus

Was mich gegenwärtig persönlich beschäftigt

Welche Erfolge verspricht die Teilnahme an einer Gruppetherapie?

In meiner praktischen Ausbildung wurde ich zum Gruppentherapeuten ausgebildet. Es wenden sich viele nach Hilfe suchende Personen an mich, und da kommt oft gleich zu Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung die Frage auf, ob jemand von einer Gruppentherapie mehr als von einzeltherapeutischen Sitzungen profitiert; eine Frage, die nicht auf Anhieb zu beantworten ist. Im vorliegende Blog möchte ich gern dieses wichtige Thema aufgreifen und anhand der gängigen Forschung beleuchten. Leider beziehen sich viele Forschungsbefunde auf die “Kognitive Verhaltenstherapie”, für andere therapeutische Schulen stehen fundierte Studien bislang noch aus.

Wie wirksam ist das Gruppensetting bei verschiedenen Diagnosen?

Bei affektiven Störungen (Ihre Hauptsymptome bestehen in einer veränderten Stimmung, die sich gleichermaßen durch Depression - mit oder ohne begleitende Angst - und gehobene Stimmung - Manie - ausdrücken kann) haben Forschungen gezeigt, dass die Teilnahme am Gruppen- und Einzelsetting vergleichbare Erfolge hat. Insbesondere, wenn bei Ihnen eine schwere depressive Erkrankung vorliegt: In diesem Fall konnte die hohe Effektivität von Gruppentherapien nachgewiesen werden, wobei sich die untersuchten Gruppenbehandlungen i. d. R. auf 10-12 Sitzungen beschränkten. Wenn Sie an einer bipolaren Störung leiden, scheinen insbesondere psychoedukative Elemente (strukturierte Vermittlung von Know-how über psychische Erkrankungen) in der Behandlung gute Erfolge nach sich zu ziehen. Bei einer diagnostizierten Sozialphobie erzielt das Einzelsetting wahrscheinlich bessere Erfolge, wobei die in den Forschungen untersuchten Gruppen geschlossen waren, aus fünf bis zehn Personen bestanden, wöchentlich stattfanden und 90-240 Minuten dauerten. In diesem Zusammenhang erscheinen v. a. Interventionen wie das Training sozialer Kompetenzen und Entspannungstechniken als erfolgversprechend. Wenn bei Ihnen eine Diagnose auf Panikstörung vorliegt, so scheint das Gruppensetting bessere Erfolge als das Einzelsetting aufzuweisen; dieser Befund basiert auf Untersuchungen an Personen, die vor ihrer Behandlung sechs bis 15 Jahre an Panikattacken gelitten hatten. Die größten Erfolge wurden in Kombination mit einem Antidepressivum aus der Klasse der SSRI beobachtet. Die Ergebnisse sind auch für Zwangsstörungen vielversprechend: Dies anhand von Studien an Personen, die vor Behandlungsbeginn durchschnittlich 17 Jahre an Zwängen gelitten hatten. Ein Jahr nach Behandlungsende betrug die Rückfallquote für neuerliche Zwänge 35%, wobei abhängige Persönlichkeiten tendenziell gehäufte Rückfälle vermeldeten; im Zusammenhang mit Zwangserkrankungen liegt ein besonderer Fokus auf der “Expositions- und Reaktionsverhinderung”. Schließlich scheint das Gruppensetting auch dann erfolgversprechend für Sie zu sein, wenn Sie an einer Essstörung leiden: Eine Gruppenbehandlung hat nämlich bei Bulimie und Binge Eating (“Fressattacken”) vergleichbare Erfolge mit Einzelbehandlungen, professionell angeleiteter Selbsthilfe und einer medikamentösen Behandlung durch das SSRI Fluoxetin.

Wann scheint eine (zum Einzelsetting) begleitende Gruppentherapie vielversprechend?

Wenn Sie an einer Suchterkrankung (Alkohol, Drogen oder beides) leiden, kann eine - zusätzlich zu anderen Behandlungsformen durchgeführte - Gruppentherapie (wenn überhaupt) einen nur geringen Beitrag zur Symptomreduktion leisten. Anders bei Störungen durch Trauma (mit Ausnahme Traumata, die aufgrund politischer Verfolgung entstanden sind): In der Zwischenzeit weiß man, dass traumatisierte Menschen oft - zusätzlich zu den traumabedingten Symptomen - Substanzen missbrauchen oder Praktiken nachgehen, die das Risiko für eine HIV-Infektion erhöhen. Forschungen zufolge konnten Personen im begleitenden Gruppensetting eine Reduktion der posttraumatischen Symptome erfahren, sie erfuhren mehr soziale Unterstützung und ihr Funktionsniveau im Alltag verbesserte sich. Belastungen durch Wut, dissoziative Zustände, Angst und Schuld verringerten sich, während Risikoverhalten (in Hinblick auf HIV) reduziert wurden - aber nur dann, wenn der Fokus der Behandlung im “Hier und Jetzt” lag. Dies vor dem Hintergrund von Methoden wie “Skills”, Psychoedukation sowie Techniken rund um Psychodynamik und interpersonelle Prozesse in Gruppen. Wenn Sie an einem Mammakarzinom (Brustkrebs) erkrankt sind, hält sich der Effekt einer unterstützenden Gruppe wahrscheinlich in Grenzen - wenn man von einer zu erwartenden Verbesserung des Schmerzumgangs und der Bewältigungsstrategien absieht. Auch bei Schmerz durch Tumorerkrankungen scheinen die Vorteile einer Einzeltherapie zu überwiegen. Andererseits konnte bei chronischen Erkrankungen die Gruppenbehandlung das Schmerzerleben und die psychische Belastung reduzieren, bei gleichzeitiger Verbesserung der Lebensqualität.

Was bringt die Gruppentherapie bei Schizophrenen Erkrankungen und bei Persönlichkeitsstörungen?

Bei einer schizophrenen Erkrankung besteht eine Störung der Persönlichkeit (des Ichs und des Selbsterlebens), des Denkens, der Realitätsauffassung, der Wahrnehmung und der Affektivität - und zwar ohne erkennbare Erkrankungen des Gehirns oder Einwirkung psychotroper (d. h. bewusstseinsverändernder) Substanzen. Wenn Sie hingegen an einer Persönlichkeitsstörung leiden, so erleben Sie wiederholt stabile und tief verwurzelte Verhaltensmuster, unter denen Sie stark leiden und die mit einer deutlichen Einschränkung Ihrer beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit verbunden sind. Gruppentherapien führten in Studien an schizophrenen PatientInnen nachweislich zu einer signifikanten Symptomreduktion, mit Verbesserungen von Selbstwert, sozialen Ängsten, Denken und Coping, funktionaler Anpassung und Skills sowie der Lebensqualität. Es konnten auch eine reduzierte Sterblichkeit sowie ein verlängerter Zeitraum zwischen Einlieferungen in eine psychiatrische Klinik nachgewiesen werden. Wenn Sie Angehörige/r schizophrener Personen sind, so können wir - den Studien zufolge - in einer gruppentherapeutischen Behandlung Ihr subjektives Belastungsempfinden reduzieren. Bei Persönlichkeitsstörungen rückte besonders die Behandlung von Borderline in den Fokus der Wissenschaft. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei Symptome rund um Suizidalität, Depression, Hoffnungslosigkeit und stationäre Aufenthalte. Insgesamt konnte eine gute Wirksamkeit des gruppentherapeutischen Settings bei dieser Persönlichkeitsstörung nachgewiesen werden, mit positiven Einflüssen auf Ihre Suizidgedanken, Ihr selbstverletzendes Verhalten und Ihre belastenden Gefühle wie Spannungs- und Leerezustände. Die in den Gruppen erzielten Verbesserungen konnten bei den PatientInnen z. T. noch Jahre später nachgewiesen werden. Die untersuchten Techniken umfassten “Skills”, soziales Kompetenztraining und psychodynamische sowie psychoedukative Elemente. Die verfrühte Abbruchrate in den besagten Gruppen-Studien betrug grob zwischen einem Drittel und der Hälfte der Personen.

Die Kosten-Nutzen-Rechnung spricht für das Gruppensetting

Ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Setting-Wahl (Einzel- oder Gruppentherapie) umfasst auch die finanziellen Voraussetzungen, die eine Person mitbringt. In der verarbeiteten Literatur ist eine Kostenschätzung (in US$) für die beispielhafte Behandlung einer Panikstörung angeführt: In dieser Schätzung ist die Gruppentherapie die günstigste Variante (bei umgerechnet ca. EUR 450), gefolgt von einzeltherapeutischen Sitzungen (bei EUR 1.180). Die teuerste Variante ist die medikamentöse Behandlung (mit ca. EUR 2.000). Sieht man von der Rezeptgebühr ab, sind Medikamente für die PatientInnen in Österreich umsonst, was diese Variante für uns wahrscheinlich zur Günstigsten macht (indem nämlich die Kassen die Kosten übernehmen). Für PatientInnen steht der Kostenaufwand gruppentherapeutischer Sitzungen (dem Beispiel zufolge) ungefähr im Verhältnis 1:3 zur einzeltherapeutischen Variante. Ein überzeugendes Argument vor dem Hintergrund des Befunds, dass einzel- und gruppentherapeutische Methoden vergleichbare Symptomreduktionen produzieren.

 

Literatur

Burlingame, G. M., Strauss, B. & Joyce, A. (2013). Change mechanisms and effectiveness of small group treatments. In M. Lambert (Hrsg.), Bergin and Garfield’s handbook of psychotherapy and behavior change (S. 640-689). New York: Wiley.

Hinterhuber, H., & Fleischhacker, W. W. (1997). Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen. In H. Hinterhuber und W. W. Fleischhacker (Hrsg.). Lehrbuch der Psychiatrie (S. 62-94). Stuttgart: Thieme Verlag.

Zangerl, K. (1997). Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. In H. Hinterhuber unf W. W. Fleischhacker (Hrsg.). Lehrbuch der Psychiatrie (S. 136-145). Stuttgart: Thieme Verlag.

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Nikolas Anastasiadis